Poetry Slam

    Wieder zu Hause

    Ich erzähle mit leuchtenden Augen von dem Land aus dem ich komme, in dem ich so lange war. Berichte von den Menschen, den Sitten, meinen Erlebnissen den kleinen Wundern des Alltags. Der Hilfsbereitschaft und Menschlichkeit. Die Gründe warum es dort anders ist als hier und warum das gut ist oder auch nicht. Ich versuche zu erklären, warum ich jetzt die Dinge ganz anders sehe als vorher. Doch sie verstehen nichts.

    Sie sind gekommen, um mich zu begrüßen. Meine Freunde die mich sehen wollten, weil sie mich so lange nicht gesehen hatten. Die mich vielleicht vermissten und sich freuten auf mich.

    Doch sie verstehen nicht was ich sage, obwohl ich ihre Sprache nicht verlernt habe. Sie fühlen anders als ich. Sie hören mir zu und nicken, aber ihre Gesichter sprechen Bände:
    Für sie bin ich zum Rätsel geworden.
    Sie finden in mir nicht mehr den Menschen den sie kannten. Ich bin ihnen fremd, auch wenn ich die gleiche Hülle aus Fleisch und Blut bin. Mein Geist ist ein anderer. Ich bin nicht mehr einer von ihnen, auch wenn wir es irgendwie wünschen, dass es so sein könnte, wie es war.

    Der größere Kulturschock ist nicht dass verlassen der Heimat, sondern das wiederkehren. Ich bin nicht mehr der ich war, doch hier hat sich nichts verändert. Alles ist beim alten geblieben und ich passe nicht mehr an meinen Platz. Ich will auch nicht mehr passen. Ich habe mein zu Hause verloren.
    Ich finde nicht mehr die Brücke zu meinen Freunden, meiner Heimat. Dies ist nicht mehr mein Land, meine Stadt und dies ist auch nicht mein Elternhaus.
    Was mir wichtig war ist nicht mehr wichtig. Andere Ziele liegen nun vor mir. Ich habe mein Herz und mein Leben für neues geöffnet, ich bin gewachsen, habe meine Seele verdoppelt.
    In meiner Brust schlagen zwei Herzen aus zwei Ländern, nicht mehr eines. Zwei Blutkreisläufe fließen durch meine Adern. Ich bin nicht mehr der ich war und will es auch nicht mehr sein.

    Eigentlich fing es schon in der Ferne an. Zu Beginn hatte ich sehr viel von meinen Erfahrungen aufgeschrieben und per Post in die Heimat geschickt. Doch nach sechs Monaten konnte ich nicht mehr beschreiben was ich fühlte und erlebte.
    Ich begann in der fremden Kultur zu leben, nahm Anteil. Meine Persönlichkeit öffnete sich und nahm neues auf, das mich für immer veränderte. Kein Mensch zu Hause hätte meine Beschreibungen noch verstehen können.
    Vorher war die Kiste in der mein Leben ablief kleiner. Jetzt ist sie viel größer, vielleicht sogar grenzenlos. Mein Horizont hat sich erweitert. Ich sehe die Welt mit anderen Augen. Ich kann meine Perspektive bei der Sicht auf die Dinge verändern. Kann mich stärker einfühlen und fühle mich selber auch stärker und weiß viel mehr wer ich bin und sein will.
    Doch alle meine Freunde sitzen noch in ihrer Kiste in meiner vergangenen Heimat. Sie laufen weiter in ihrem Hamsterrad und bleiben dabei. Alles läuft seinen gewohnten Gang. "Und am Wochenende gehen wir in die Kneipe betrinken uns. Ganz toll!"

    Es ist der erste Abend zu Hause. Doch ein Teil von mir möchte bereits zurück. Ein großer Teil von mir wollte niemals zurückkommen und jetzt bin ich hier und doch nicht da, zumindest nicht zu Hause.
    Nie mehr werde ich zu Hause sein auf jeden Fall nicht so, wie es einmal war. Meine Gedanken fliegen zurück. Ich habe Fernweh oder Heimweh. Wo ist mein zu Hause, wenn es hier nicht mehr ist? Wo ist meine Heimat? Oder wo kann ich sie finden.
    Habt ihr eure Heimat gefunden?

    © Willfried Althoff